Zwölfmal hat die Professur für Bildungssysteme der ETH Zürich in Kooperation mit der Lehrstellenplattform Yousty die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die berufliche Grundbildung in der Schweiz erhoben. Ein Forschungsteam führt bei Lehrbetrieben in regelmässigen Abständen eine Online-Befragung durch. Die Resultate werden im monatlichen LehrstellenPuls ausgewiesen. Dabei wird den zukünftigen Lernenden (auf Lehrstellensuche), den aktuellen Lernenden und den Lernenden im letzten Lehrjahr der Puls gefühlt und ihre Situation jeweils mit den Vormonaten verglichen.
Die aktuellsten Ergebnisse datieren vom März 2021. Bei der jüngsten Befragungswelle haben 2603 Lehrbetriebe mitgemacht, die insgesamt gut 26‘000 Lehrstellen anbieten. Damit deckt der LehrstellenPuls knapp 3 Prozent aller Lehrbetriebe der Schweiz ab.
Im Kanton Aargau scheint die Situation für angehende Lernende mit Lehrbeginn August 2021 nicht so schlecht zu ein. Gemäss kantonalem Lehrstellennachweis LENA sind zwar seit Anfang Jahr immer mehr Lehrstellen besetzt als frei, aber ihr Anteil liegt mit aktuell 63.5 Prozent deutlich tiefer als die schweizweit ausgewiesenen 78 Prozent. Zu den Spitzenreitern gehören auch hierzulande Wirtschafts- und Verwaltungsstellen mit 88.8 Prozent und am anderen Ende der Skala der Bau mit einem erst zu 17.7 Prozent vergebenen Lehrstellenangebot. Hinzu kommt, dass seit Anfang Jahr die Gesamtzahl an ausgeschriebenen Lehrstellen stetig zugenommen hat – allein im März waren es mit 3700 fast ein Fünftel mehr verglichen mit dem Vorjahresmonat (davon sind 1352 frei). Auch LENA wird monatlich aktualisiert. Übrigens sind nicht nur hier, sondern auch auf Work Life Aargau offene Lehrstellen zu finden.
Gespannt sein darf man auf die anstehenden Lehrabschlussprüfungen von Jugendlichen, denen ein Jahr Pandemie mit den im LehrstellenPuls erhobenen Einschränkungen in den Knochen steckt. Bereits Ende 2021 wurde die schweizweite Online-Petition «Auf das QV verzichten» lanciert. Die Petitionsführer*innen verlangen darin, das Qualifikationsverfahren (QV), sprich die Lehrabschlussprüfungen (LAP) 2021, ganz zu streichen mit der Begründung, der Schulstoff sei verkürzt durchgenommen worden, technische Störungen hätten das Homeschooling erschwert oder mit Masken lasse die Konzentration an der Prüfung nach. «Wir Lernende verspüren einen enormen Druck», heisst es in der Petition, die bis Mitte April 28’700-mal unterschrieben wurde. Die Berufsbildungsverantwortlichen wiesen die Forderung bereits im Januar in der NZZ als unbegründet zurück. Die Kritik richte sich nur an den schulischen Teil der Ausbildung, wobei der betriebliche Teil mindestens die Hälfte des QV ausmache. Zudem wäre ein unvollständiges Berufsbildungszeugnis auf dem Arbeitsmarkt klar weniger wert.
Lesen Sie in unserer Story zum Lehrstellenmarkt, warum sich die Lehrstellensituation laut Experten mittelfristig zuspitzen dürfte.
Autor: CH Media