Familie und Beruf zu vereinbaren, ist für viele eine grosse Herausforderung. Dabei sind Väter und Mütter, aber auch Arbeitgeber*innen gleichermassen gefordert. Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau (EBG) schreibt auf seiner Webseite, dass es verschiedene Rahmenbedingungen braucht, damit Paare eine partnerschaftliche Verteilung von Erwerbs-, Haus- und Familienarbeit aushandeln können. Das EBG listet Faktoren in verschiedenen Bereichen auf. In der Wirtschaft braucht es Lohngleichheit, Teilzeitarbeit, flexible Arbeitszeitmodelle und Elternurlaub – hier hat das Schweizer Stimmvolk im September 2020 mit über 60 Prozent Ja-Stimmen zumindest einen Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen gutgeheissen.
Bei der familienergänzenden Kinderbetreuung und im Schulsystem müssen Kinderkrippen, Tagesschulen und Blockzeiten angeboten werden. Aber es braucht gemäss EBG auch einen Effort in der Politik, Stichworte sind: Familienzulagen, Erziehungs- und Betreuungsgutschriften für Familien, Familienlastenausgleich, Reformen in der Familienbesteuerung und Abzüge für Familien. In vielen Bereichen gibt es also noch einiges zu tun. Wie aber ist die Situation im Kanton Aargau?
Die neuste NAB-/CS-Regionalstudie zeigt: Die Erwerbstätigkeit der Aargauer Mütter hat seit der Jahrtausendwende stetig zugenommen. 2019 waren 83 Prozent der Mütter – überdurchschnittlich oft mit einem tiefen Pensum – in den Arbeitsmarkt integriert. Dass der Anteil gestiegen ist, hat sicherlich auch mit dem Kinderbetreuungsgesetz zu tun, das am 1. August 2016 in Kraft getreten ist. Das Gesetz verpflichtet die Gemeinden dazu, eine familienergänzende Betreuung für alle zugänglich zu machen. Ob dies mittels von der Gemeinde betriebenen Kindertagesstätten und Mittagstischen geschieht oder ob der Gemeinderat jemanden beauftragt, dieses Angebot bereitzustellen, ist von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich. Mehr zu den Kinderbetreuungsangeboten im Aargau finden Sie in diesem Artikel.
Der Kanton Aargau gehört aus Unternehmersicht zu den attraktivsten Wirtschaftsstandorten der Schweiz. Im Vergleich zum Vorjahr hat man im Standortattraktivitätsranking der Credit Suisse zwar einen Rang verloren, liegt aber im schweizweiten Vergleich nach Zug, Basel, Zürich und Genf immer noch auf Platz 5.
Gute Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf steigern die Standortattraktivität. Dabei spielen verschiedene Aspekte eine Rolle. Zum einen die Möglichkeiten der Kinderbetreuung: Wie bereits erwähnt, hat die Zahl der Betreuungsplätze im Aargau dank des Kinderbetreuungsgesetzes zugenommen. Die Kosten für die Kinderbetreuung sind jedoch im Aargau vergleichsweise hoch. Dazu kommt, dass die Subventionen, die die Gemeinden ausrichten, enorm unterschiedlich sind. Die Studie der CS zeigt: Besucht das Kind an zwei Tagen pro Woche eine Kindertagesstätte in der Wohngemeinde, belaufen sich die Kosten für die Eltern bei voller Subventionierung auf rund 2000 Franken pro Jahr in Aarau, Baden, Brugg und Wohlen und auf über 3000 Franken in Rheinfelden und Bremgarten. Prozentual ist die Belastung trotz Subventionierung bei einkommensschwachen Haushalten am höchsten. Fällt wegen der Einkommenshöhe der Anspruch auf Subventionen weg, müssen die Eltern zwischen 10’300 Franken (Brugg) und 11’600 Franken (Aarau) für die externe Kinderbetreuung aufwenden.
Nebst der Kinderbetreuung spielen steuerliche Vorteile und die Angebote der Arbeitgeber*innen eine grosse Rolle. Mit einem Maximalabzug von 10’000 Franken pro Kind positioniert sich der Kanton Aargau bei den Steuerabzügen für die Kinderbetreuungskosten praktisch auf gleicher Höhe wie Zürich und Basel-Stadt, aber deutlich vor Luzern (4700 Franken), Baselland (5500 Franken) oder Solothurn (6000 Franken). Diese Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu geniessen, wird der Betrag im Gegensatz zu den umliegenden Kantonen im Aargau doch bei Teilzeitpensen proportional gekürzt. Bei Kinder-und Ausbildungszulagen gehört der Aargau zu den Kantonen mit den tiefsten Beträgen – er erfüllt nur die Mindestanforderungen gemäss Bundesgesetz.
Die Geburt eines Kindes verändert das Leben eines Paares grundlegend. Die Eltern stellen sich die Frage, ob und wie sie berufstätig bleiben wollen bzw. können. Dabei spielt das Unternehmen, bei dem sie arbeiten, eine wesentliche Rolle: Bietet mein*e Arbeitgeber*innen die nötige Flexibilität, um beispielsweise Teilzeit oder im Homeoffice zu arbeiten? Die NAB-/CS-Regionalstudio stellt fest, dass bei den Unternehmen im Aargau Flexibilität vorhanden ist. So haben rund 49% der Arbeitnehmer*innen im Kanton Aargau gleitende Arbeitszeiten, das heisst, sie können Arbeitsbeginn und -ende frei wählen – gesamtschweizerisch liegt der Wert hier bei 46%. Auch andere Zahlen wurden erhoben: Für 76% der Erwerbstätigen ist es sehr oder eher einfach, eine oder zwei Stunden frei zu nehmen (CH: 73%). Kurzfristig gemeldete Absenzen von einem oder zwei Tagen sind für 51% möglich (CH: 48%). Dabei gilt es zu beachten, dass flexible Arbeitsbedingungen nicht selten mit der beruflichen Stellung zusammenhängen – je höher die Position, desto flexibler die Bedingungen. Und auch nicht in allen Branchen zeigt sich das gleiche Bild – in gewissen Betrieben (zum Beispiel im Gesundheitswesen, in Ausbildungsstätten etc.) kann eine solche Flexibilität gar nicht angeboten werden, auch wenn das Unternehmen dazu bereit wäre.
In Sachen Homeoffice ist der Aargau vorne mit dabei. Überdurchschnittlich oft geben Erwerbstätige im Aargau an, gelegentlich oder regelmässig im Homeoffice zu arbeiten. Diese Entwicklung wurde durch die Coronavirus-Pandemie noch begünstigt und zeigt auf, dass beim Thema Homeoffice das Potenzial vielerorts grösser ist, als es bisher ausgeschöpft wurde. Die Autor*innen der Studie schätzen, dass die Erwerbstätigen mit Arbeitsort im Kanton Aargau im Durchschnitt knapp 40% ihrer Berufsaufgaben im Homeoffice erledigen könnten. Unseren Faktencheck zum Thema Homeoffice finden Sie hier.
Wie Erwerbs-, Haushalts- und Familienarbeit innerhalb einer Familie verteilt wird, soll fair und partnerschaftlich diskutiert und entschieden werden. Die Unternehmen im Aargau bieten mit ihren flexiblen Arbeitszeitmodellen und dem Homeoffice in vielen Branchen gute Rahmenbedingungen, um Frauen und Männern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen. Auf gesetzlicher Ebene sind die Arbeitsbedingungen für Aargauer Eltern noch unter dem Schweizer Durchschnitt, dafür sind die Aargauer Unternehmen überdurchschnittlich familienfreundlich.
Autor: CH Media