In einem anderen Artikel zeigen wir die Vor- und Nachteile eines Arbeitsplatzes in der Nähe des Wohnorts verglichen mit denen des Pendler-Daseins, wobei die Lebensqualität bei kurzen Arbeitswegen höher sein dürfte. Hier gehen wir der Frage nach, ob Pendeln eigentlich schlecht ist für die Gesundheit oder ob die tägliche Hin- und Her-Reiserei unbedenklich ist.
Stauwarnung, Bauarbeiten, Zugsverspätung, Bahnersatz. Alles Begriffe, an denen Pendler*innen gar keine Freude haben. Man steht frühmorgens mit Hunderten anderen auf dem Perron und erfährt per Durchsage, auf der Anzeige oder in der App, dass der Zug Verspätung hat. Zuerst drei Minuten, dann vier, dann sieben... Immer mehr Leute warten auf den Zug, was zur Folge hat, dass man sicher keinen Sitzplatz mehr bekommt. Dafür wird man ebenso sicher zu spät am Arbeitsplatz erscheinen. Nicht viel besser geht es den Autofahrer*innen unter den Pendler*innen, die im Stau stehen und auf einen freien Parkplatz hoffen müssen. Stress ist in allen Fällen programmiert.
Wer «Pendeln und Gesundheit» googelt, landet Dutzende Treffer, die einen Zusammenhang belegen. Das deutsche Handelsblatt zitierte 2018 die Studie «Mobilität in der Arbeitswelt», die Dutzende wissenschaftliche Arbeiten der vergangenen Jahre zum Thema Pendler*innenstress zusammenfasst. Die Studienautoren machten einen eindeutigen Trend aus: «Je mehr Zeit das Hin und Her zwischen Wohn- und Arbeitsstätte braucht, und je bewegungsloser – passiver – das geschieht, umso häufiger zeigen sich die vielen Facetten von Stress. Also Nervosität und gesteigerte Reizbarkeit, Erschöpfung und Müdigkeit, Schwindelgefühle und depressive Stimmungen. Oben auf der Symptomliste des „Pendlersyndroms“ stehen außerdem Kopf-, Glieder-, Nacken-, Schulter-, Rückenschmerzen sowie Erkrankungen des Atemsystems. Da Pendler obendrein meist früher aufstehen müssen, leiden sie zu allem Übel häufiger unter Schlafmangel, Tagesmüdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten.»
Wie man als Pendler*in Stresssituationen möglichst vermeidet, ist eine sehr individuelle Frage. Ist man als Autopendler*in ständig genervt ob der Staus, könnte man versuchen, auf die Bahn umzusteigen. Vielleicht verkraftet es Ihre Psyche besser, 15 Minuten auf einen verspäteten Zug zu warten, als 45 Minuten lang im Stop-and-go-Verkehr auf der Autobahn dahinzuschleichen. Umgekehrt fahren Bahnbenutzer*innen, welche die vielen Mitmenschen auf engem Raum am frühen Morgen und nach Feierabend nicht ertragen, vielleicht besser, wenn sie aufs Auto umsteigen, wo sie wenigstens ihre Ruhe haben.
Die wohl wirkungsvollste, wenn auch radikalste Massnahme ist ein Wohnortswechsel in die Nähe des Arbeitsplatzes, um die tägliche Pendelei ganz einfach auf null zu reduzieren. Zu Fuss oder mit dem Velo arbeiten zu gehen, spart Zeit und Nerven, zudem tut die Bewegung an der frischen Luft gut. Die Kehrseiten sind allfällige höhere Wohnkosten – vor allem dann, wenn Sie in einen Ballungsraum ziehen, wo die Miet- und Kaufpreise für Wohnungen und Häuser tendenziell höher sind. Ausserdem fallen «soziale Kosten» an, weil man das gewohnte Umfeld verlässt und einen neuen Freundeskreis aufbauen muss.
Der Gewinn an Lebensqualität, zu der auch die Gesundheit gehört, dürfte aber überwiegend sein. Im Gegensatz zu den temporären Kosten eines Umzugs ist die Zeitersparnis, die man durch einen Verzicht auf das Pendler-Leben erreicht, dauerhaft und in diesem Sinn unbezahlbar.
Nicht für alle kommt ein Umzug infrage, und nur in den seltensten Fällen liegt der Traumjob direkt vor der Haustür. Auch wer also auf das Pendeln angewiesen ist, kann versuchen, den Stress zu reduzieren. Dabei muss der Arbeitgeber allerdings mitmachen. Die Rede ist von flexiblen Arbeitsmodellen. Flexibilität ist sowohl in zeitlicher als auch in örtlicher Hinsicht gefragt. Wer zum Beispiel nicht zu Stosszeiten pendeln muss, kommt zwar später, dafür wesentlich entspannter bei der Arbeit an. Und wer nicht ständig vor Ort sein muss, sondern auch mal im Homeoffice arbeiten kann, dürfte ebenfalls eine höhere Leistungsfähigkeit und -bereitschaft an den Tag legen.
Autor: CH Media