10.08.2023
Arbeitsleben
Für Markus Brunold, CEO des Software-Entwicklers BSI in Baden-Dättwil, ist der Fachkräftemangel kein neues Phänomen. Die Firma sucht Talente, die gut zur Unternehmenskultur passen – und tut vieles dafür, dass den Mitarbeitenden die Arbeit Spass macht.
Sie kommen gerade von ihrem jährlichen Kundenanlass. War der Fachkräftemangel dort ein Thema?
Markus Brunold: Nur am Rand. Am BSI Customer Summit geht es um Produktentwicklung. Unsere Bestandskunden stehen aber vor der Herausforderung, sich neue Skills anzueignen und die richtigen Leute dafür zu finden. Der Kunde kommt immer stärker ohne Software-Programmierer*innen unsererseits aus: Dank Low-Code- und Zero-Code-Möglichkeiten kann er unser CRM-System selber konfigurieren und administrieren.
Soeben hat auch der Zukunftstag stattgefunden. Konnte BSI die nächste Generation seiner Mitarbeitenden begrüssen?
Brunold: Es waren etwa zwanzig Kinder, ein schönes Potenzial. Unsere Lernenden stellten für sie ein cooles Programm zusammen. Das Thema Nachwuchsförderung beschäftigt uns sehr. Nicht so gut in Mathematik zu sein, hält leider immer noch viele Jugendliche davon ab, einen technischen Beruf zu erlernen. Dass ein Werdegang in der IT gute Mathekenntnisse voraussetzt, diese Zeiten sind vorbei. Abgesehen von Spezialitäten wie Data Science und Künstliche Intelligenz ist «rechnen können» nicht mehr so relevant.
Was braucht es dann in der Software-Entwicklung?
Brunold: Ein abstraktes Denkvermögen. Man muss die Aufgabe verstehen und in ihre Einzelteile zerlegen. Nehmen wir als einfache Analogie den schwarzen Stuhl neben uns: Gute Software-Entwickler*innen sehen sofort vier Beine, eine Sitzfläche und eine Rückenlehne. Und sie fragen sich, ob sie die Beine auch für einen anderen Stuhl verwenden könnten. Neben diesen analytischen Fähigkeiten kommt in unserem Organisationsmodell eine starke Kundeninteraktion hinzu. Für beides wären übrigens Frauen sehr prädestiniert, aber es gibt auf dem Arbeitsmarkt viel zu wenige. An uns als Arbeitgeber liegt’s nicht: Teilzeitarbeit und flexible Arbeitsmodelle sind in unserer Branche seit langem eine Selbstverständlichkeit.
Dass ein Werdegang in der IT gute Mathekenntnisse voraussetzt, diese Zeiten sind vorbei.
BSI kennt keine Hierarchien, die Mitarbeitenden geniessen viel Verantwortung. Deshalb sind die Anforderungen an sie hoch, und die Rekrutierung ist aufwändig. Können Sie dieses Modell in Zeiten knapper Arbeitskräfte aufrecht erhalten?
In der IT herrscht seit vielen Jahren ein Arbeitnehmermarkt. Ein alter Slogan von BSI lautet: «Wir würden uns gern bei dir bewerben» – also die Firma beim Mitarbeiter, der Mitarbeiterin. Wenn jemand zu BSI passt, fachlich und persönlich, dann machen wir gern ein Angebot – egal, ob wir gerade eine Aufgabe für die Person haben. Umgekehrt stellen wir jemand Unpassenden nicht ein, auch wenn dringend Arbeit zu erledigen wäre. Damit sind wir bisher sehr gut gefahren. Wenn wir jetzt damit anfingen, Ausnahmen zu machen, würden wir unsere Firmenkultur beschädigen.
Zur Firmenkultur gehört, dass Ihre Standorte nicht nach Funktionen getrennt sind. Statt in Zürich könnte jeder und jede auch in Baden-Dättwil arbeiten. Kommt das vor?
Unseren Zürcher Standort haben wir 2009 eröffnet, weil wir fast alle unsere neuen Mitarbeitenden direkt ab der Hochschule rekrutieren. Und als ETH-Abgänger*in mit WG in Zürich ist Dättwil einfach zu weit weg. Wenn die Mitarbeitenden älter werden, vielleicht eine Familie gründen, kommt Bewegung in die Sache, und die BSI-Standorte Baden oder Baar werden plötzlich interessant.
Wie viele stossen von universitären, wie viele von Fachhochschulen zu BSI?
Das weiss ich nicht, und es ist auch völlig irrelevant. Uns ist wichtig, zu sämtlichen Hochschulen in unseren Einzugsgebieten einen guten Draht zu haben, um uns dort regelmässig vorstellen zu können, Praktikant*innen zu gewinnen und Themen für Masterarbeiten beizusteuern. Man muss sich frühzeitig um diese Personen bemühen, denn die Konkurrenz hat zugenommen. Ebenfalls im Trend sind berufsbegleitende Studiengänge: Wir haben einige Mitarbeitende etwa von der FHNW in Brugg-Windisch, die bei uns in Baden-Dättwil 60 Prozent arbeiten und daneben 40 Prozent studieren. Das finde ich super und würde es selber heute wohl auch so machen.
Wir haben über Nachwuchs, Ausbildung und Rekrutierung gesprochen. Was können Sie punkto Weiterbildung bieten?
Zehn Weiterbildungstage und 5000 Franken pro Jahr für alle. Zur Auswahl stehen Kurse, Konferenzen und Selbststudium, sogenannte Lab Days. Es wird erwartet, dass das Angebot genutzt wird. Die Resonanz ist super.
Was tun Sie sonst, um Mitarbeitende zu halten?
Die Mehrheit der Mitarbeitenden sind an BSI beteiligt – ein Alleinstellungsmerkmal unseres Unternehmens. Wer mit eigenem Geld investiert ist, ist ein Unternehmer, eine Unternehmerin und agiert auch so. Genauso wichtig in der IT ist: Die Arbeit muss spannend sein. Wir sind Software-Entwickler*innen und wollen stets mit den neusten Technologien arbeiten. Diesen Druck der permanenten Veränderung auferlegen uns notabene nicht die Kunden, sondern wir selbst. Die Nutzung veralteter Technologie würde zu unerwünschten Abgängen führen. Und drittens muss das Umfeld stimmen: Eine lässige Firmenkultur ist ein Erfolgsfaktor für das Engagement der Mitarbeitenden.
Gegen den Arbeitskräftemangel wird schliesslich das Potenzial von älteren Mitarbeitenden ins Feld geführt. Nutzen Sie dieses?
Damit haben wir noch wenig Erfahrung. BSI ist erst 26 Jahre alt, und wir hatten bei 416 Mitarbeitenden bisher zwei Pensionierungen. Die grosse Welle erwarten wir in zehn Jahren, wobei mit einigen Frühpensionierungen zu rechnen ist. Und wer sein Arbeitspensum schrittweise herunterfahren möchte, ist bei uns an der goldrichtigen Adresse.