Sie suchen nach qualifizierten Mitarbeitenden und finden diese nicht am Markt? Dann schauen Sie nicht nur nach aussen, sondern auch nach innen: Welche Personen in Ihrer Organisation haben Potential, aber noch Wissenslücken? Wie kann es gelingen, diese Lücken effizient zu schliessen? Wie organisieren Sie Wissenstransfers intern?
Employer Branding, als unternehmensstrategische Massnahme verstanden, hat das Ziel, ein Unternehmen insgesamt als attraktiven Arbeitgeber darzustellen und sich von anderen Wettbewerbern im Arbeitsmarkt positiv abzuheben. Marketing ist das eine – aber was geschieht danach? Nur wenn es gelingt, die Einarbeitungsphase von neuen Mitarbeitenden möglichst erfolgreich für Person und Organisation zu gestalten, dann kann der hohe Marketinganspruch auch in der Realität eingelöst werden.
Dieser Beitrag ist Teil von einer Reihe zum Thema Wissenstransfer - hier geht es zu Teil 2.
Ein Interview von Benno Ackermann von wissenstransfer.ch mit Martin Brokatzky, Head of Improve Plant, DSM, Werk Sisseln.
Benno Ackermann: Weshalb ist das Thema Wissenstransfer für die DSM / für Dich von Bedeutung?
Martin
Brokatzky: Für mich ist das Thema Wissenstransfer für die Mitarbeiterentwicklung
von grosser Bedeutung. Da geht es vor allem um zwei Bereiche:
Zum einen ermöglicht es unserer Organisation, das Vorwissen junger Leute mit
einer strukturierten Methodik im Arbeitsalltag effizient weiter zu entwickeln.
Dabei kann das Insider-Wissen unserer langjährigen Experten weitergegeben
werden. Es ist wichtig, dass neue Mitarbeitende auf komplexe und herausfordernde
Aufgaben so gut wie möglich vorbereitet werden.
Zum
anderen kann damit das in der Praxis relevante Wissen von älteren Mitarbeitenden
transparent gemacht und in der Organisation erhalten werden. Dies zum Beispiel
bei Pensionierungen von Schlüsselpersonen.
Benno Ackermann: Employer Branding kann durch Fringe Benefits und andere «Geschenke» umgesetzt werden. Oder auch im Arbeitsalltag gelebt sein.
Martin Brokatzky: Ja, in diesem Kontext sehe ich den Wissenstransfer und die damit verbundenen Zeitgefässe als Employer Branding im Berufsalltag. Das ausgewertete Feedback aus den begleiteten Wissenstransfers zeigt, dass die Mitarbeitenden die Struktur, die Austauschgefässe und den Prozess schätzen. Damit ist ein Benefit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer möglich.
Benno Ackermann: Könnte man sagen, dass die Firma damit vorlebt: "Wir meinen es ernst mit der Mitarbeiterentwicklung. Wir fördern Mitarbeitende im beruflichen Alltag."
Martin Brokatzky: Ja, das ist ein klares und gut verstandenes Zeichen, wenn die Firma so Ressourcen investiert. Damit zeigt sie, dass sie es mit den Menschen ernst meint, sie motiviert und eben auch einen direkten, praktischen Nutzen ermöglicht.
Benno Ackermann: Wie haben Deine Mitarbeitenden / Du selber reagiert auf den Wissenstransfer?
Martin Brokatzky: Meine Mitarbeitenden haben das positiv aufgenommen und geschätzt.
Ich war erfreut, dass sie teilweise sogar Ideen aus der Methodik abgeleitet
haben, wie im normalen Arbeitsalltag das Wissen innerhalb der Organisation
transparenter gemacht werden kann. Z.B. mit der grafischen Darstellung der
Arbeitslandschaft (Worksphere Map). Diese wird als roter Faden, teilweise in
angepasster Form, bei Wissenstransfers zwischen Abteilungen verwendet. Gerade
in unser Organisation Improve Plant ist es von Nutzen, wie Wissen effizient für
die Produktion verfügbar gemacht werden kann.
Für mich als Führungskraft war es damit möglich, mich eher
auf strategische und organisatorische Themen zu konzentrieren während der
Einarbeitung neuer Mitarbeitenden.
Aus meiner Sicht ist der Wissenstransfer eindeutig eine Führungsaufgabe. Ich fühle mich verantwortlich für meinen Bereich, für das Knowhow und die Weiterentwicklung der Mitarbeitenden.
Benno Ackermann: Vom zeitlichen Aspekt betrachtet – ist die Vorgehensweise effizient? Wieviel wurde in die Begleitung des Wissenstransfers investiert?
Martin Brokatzky: Um es vorweg zu nehmen: Über alles gesehen bedeutet das
für uns weniger Aufwand für die Einarbeitung in den Arbeitsalltag.
Konkret haben wir insgesamt drei Halbtage für die
methodische Begleitung (durch wissenstransfer.ch) und einen Tag durch mich
investiert. Damit war es möglich, dass neue Mitarbeitende den Kontext
verstanden und sich weiteres Detailwissen strukturiert, effizient und
weitgehend selbständig erarbeiten konnten. Der Aufwand für die Strukturierung
und das Verstehen des Kontextes war im Verhältnis zum Nutzen klein.
Gut ist auch, dass die Methodik flexibel anpassbar an
Gegebenheiten ist: Die Beteiligten bestimmen gemeinsam die für den jeweiligen
Anwendungsbereich nützlichste Flughöhe und definieren den Detaillierungsgrad
mit. Damit wird der gesamte Prozess ein passender «Massanzug» für die Nachfolge.
Benno Ackermann: Wurde die Einarbeitungszeit dadurch effizienter? Zeitlich verkürzt? Mit weniger Risiken?
Martin Brokatzky: Ja, die Einarbeitungszeit wurde merklich verkürzt, was
bedeutet, dass wir eben nicht nur besser, sondern auch effizienter werden.
Wichtiges und kritisches Wissen wird besser verstanden
und es ist möglich auf die Schlüsselelemente der Arbeitslandschaft zu
fokussieren. Das ist die Grundlage für den weiteren Kompetenzaufbau im
Arbeitsalltag.
Die Auslegeordnung hilft, Wichtiges und Unwichtiges zu unterscheiden. Das ist
unablässig, um richtig zu gewichten und auf das Kerngeschäft zu priorisieren.
Wir haben damit bestehende Risiken optimaler entschärfen können. Gerade unser
Geschäft erlaubt diesbezüglich keine Kompromisse.
Benno Ackermann: Der heutige Arbeitsalltag kann als komplex bezeichnet werden. Wie gelingt es in dieser Komplexität den Überblick zu behalten?
Martin Brokatzky: Dank der Vorgehensweise bei der Visualisierung wird die Komplexität reduziert und damit der Kern einer Tätigkeit «herausgeschält»: Der Kontext wird sichtbar und besser verstanden. Der Einsatz von neuen, digitalen Tools schafft Transparenz und ist die Grundlage auch für den späteren Einsatz, allfällige Weiterentwicklungen und Veränderungen, eben eine gezielte Anwendung im weiteren Arbeitsalltag. Eine korrekt gewichtete Reduktion der Komplexität schafft mehr Sicherheit nach der Übernahme einer neuen Funktion.
Benno Ackermann: Ist der Wissenstransfer eine integrierte Führungsaufgabe, z.B. im Leadership? Oder sollte sich der Bereich HR / Personalentwicklung vermehrt um dieses Thema kümmern?
Martin Brokatzky: Aus meiner Sicht ist das eindeutig eine Führungsaufgabe. Ich fühle mich verantwortlich für meinen Bereich, für das Knowhow und die Weiterentwicklung der Mitarbeitenden. Diese Funktionen können in letzter Konsequenz nicht delegiert werden. Aber natürlich weiss ich die Unterstützung durch die Personalentwicklung zu schätzen.
Benno Ackermann: Gibt es
Unterschiede in der Organisation bezüglich der Bereitschaft, sich mit dem Thema
auseinander zu setzen?
Martin Brokatzky: Prinzipiell ist man sich einig: Wissenstransfer ist wertvoll und ein Vorteil.
Aber je nach Organisation ist die Umsetzung schwieriger – vor allem bezüglich
verfügbarer Ressourcen. Man kennt das ja mit dem Hühnerhof und den entlaufenen
Hühnern: Soll zunächst der Zaun repariert oder die Hühner eingefangen werden? Für
beides reichen die Ressourcen nicht. Wie man sich auch immer entscheidet, es
ist nicht ideal.
Deshalb ist es wichtig eine Ebene höher anzusetzen. Sprich den Rahmen, die
Zeitgefässe für Wissenstransfers zu schaffen. Das ist eben auch eine Führungsaufgabe
mit Wirkung: Es muss priorisiert werden, d.h. auf gewisse andere Aktivitäten
muss in diesem Moment verzichtet werden. Die erzielbare Effizienzsteigerung
kompensiert jedoch den Aufwand mehrfach.
Benno Ackermann: Welche
Stolpersteine erlebst Du in der Praxis? Wie können diese behoben werden?
Martin Brokatzky: Ich sehe vor allem einen Stolperstein: Wenn Wissensträger (Experten,
Schlüsselpersonen) den Prozess der Wissensweitergabe steuern, habe ich die
Erfahrung gemacht, dass es nicht einfach ist, fokussiert auf den Kontext zu
bleiben. Manchmal sind dann Details überbewertet oder werden als extrem wichtig
beurteilt, nur weil der Bezugsrahmen und damit eine breitere Beurteilung
fehlen. Im Dickicht und inmitten von Bäumen zu stehen hilft eben nicht
wirklich, die Beschaffenheit des gesamten Waldes zu erkennen. Es besteht die Gefahr
in Details hängenzubleiben. Dann ist die Zeit um und der Experte weg, das
Wissen auch…
Eine externe Begleitung ohne inhaltliches Vorwissen aber mit Methodenkompetenz
hat es einfacher das «Grosse-Ganze» im Auge zu behalten und den Kontext mit
allen Beteiligten zu schaffen.
Meines Erachtens wird ein gut ausgebildeter Wissenstransfer Coach benötigt.
Dieser sorgt dafür, dass soweit wie möglich das gesamte relevante Wissen identifiziert,
priorisiert und weitergegeben werden kann. Das bedeutet, dass sich die beteiligten
Personen auf die Inhalte konzentrieren können, sich dem «Wissens-Bergführer»
anvertrauen und entlastet sind vom «…wie machen wir jetzt diesen
Wissenstransfer am besten?».
Benno Ackermann: Wie trägt
ein Wissenstransfer zu Innovation bei?
Martin Brokatzky: Oberflächlich betrachtet scheint es so, dass damit nur Wissen konserviert
wird. Sprich: Altes wird zementiert.
Ich bin jedoch überzeugt, dass das neu erworbene Wissen ein Fundament, eine
Basis für gezielte Veränderungen bildet. Wertvolle Innovation entsteht meist
nicht durch zielloses Herumprobieren, sondern durch geplante und verstandene
Veränderungen, welche dann auch eher zielführend sind.
Ich sehe den Wissenstransfer als Unterstützung von Innovation, als Basis auch
für den Bau von «neuen Häusern».
Es ist mir wichtig, dass dieses Potential genutzt werden kann, die Welt bleibt
nicht stehen.
Text und Interview: Benno Ackermann, Geschäftsführer Wissenstransfer GmbH